Zur Geschichte und Intention des Internationalen Béla Bartók Klavierwettbewerbs


Eva Ott (Gründerin)

„Dem Oeuvre des Komponisten Béla Bartók ist meines Erachtens seit jeher zu wenig Beachtung geschenkt worden. In den Konzertsälen ist er spärlich vertreten, lediglich seine rumänischen Tänze erfreuen sich großer Beliebtheit.
Als gebürtige Ungarin war es für mich eine Selbstverständlichkeit, seine Werke in meinen Unterrichtsplan einzubinden, doch hörte man in den Konzertsälen und in den Musikschulen zu wenig von ihm – trotz seiner gut einsetzbaren Klavierwerke für Kinder und Jugendliche. Als Beispiel führe ich gerne die achtzig kleinen ungarischen und slowakischen Lieder sowie seinen Mikrokosmos in sechs Bänden an.
 Diese unzufriedenstellende Gesamtsituation, die über mehr als ein Jahrzehnt andauerte, war Grund genug, die Béla-Bartók-Musikgesellschaft ins Leben zu rufen.
Ich begann im kleinen und fragte SchülerInnen, ob sie Interesse daran hätten, sein Wirken verstärkt nach außen zu tragen. Sie willigten ein. Ich präsentierte der österreichischen Gesellschaft für Musik meine Vorschläge und Direktor Track übernahm die Durchführung. Es folgten internationale Klavierabende, bei denen ich die rumänischen „Colinden“ und den Klavierzyklus „Für Kinder“ – zum damaligen Zeitpunkt 100 Jahre alt - vorstellte. Kurz darauf entstand die Idee, einen Wettbewerb in Wien und im Burgenland zu veranstalten.
 In Zusammenarbeit zwischen der „Béla Bartók Internationale Musikgesellschaft Österreich“ mit dem Collegium Hungaricum Wien wurde im Herbst 2009 der erste Béla Bartók Klavierwettbewerb für Jugendliche zwischen dem sechsten und vierzehnten Lebensjahr veranstaltet und in Wien Niederösterreich und Burgenland beworben. Für den Wettbewerb, der vom 23. bis zum 25. November 2009 im Collegium Hungaricum in der Hollandstraße stattfand, war jeweils ein originales Klavierwerk von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart und Béla Bartók vorzubereiten.  
 
Obwohl der Wettbewerb sehr gut angenommen wurde, stellte ich fest, dass eine Durchführung nur alle zwei Jahre erfolgen konnte. Zunächst war ein Großteil der TeilnehmerInnen ungarischer Herkunft, doch das änderte sich mit den Jahren. Nach und nach wuchs nicht nur die Gesamtzahl an Teilnehmern, sondern auch seine Bekanntheit. Beim vierten Wettbewerb konnten wir über sechzig Teilnehmer aus unterschiedlichsten Ländern verzeichnen. In den Monaten zwischen den Wettbewerben wurden Solo- und Orchesterkonzerte veranstaltet, bei denen hauptsächlich die Preisträger ihr Können präsentierten. Austragungsorte waren Wien, Budapest, Graz und Vác. Nach dieser Phase kam die entscheidende Veränderung:
Ich berichtete Mag. Eduard Lanner - Direktor des Johann-Joseph-Fux-Konservatoriums - in Graz, der selbst zweimal mit einer Schülerin am Wettbewerb teilgenommen hatte, von meinen Plänen. 
Nach einem Jahr Vorbereitung verlegten wir den Wettbewerb nach Graz in das Johann-Joseph-Fux-Konservatorium. Die Räumlichkeiten dieses Hauses verhalfen dem Ganzen zu noch mehr Professionalität. Mein Wunsch, die heutige Jugend verstärkt mit klassischer Klaviermusik und den Werken Béla-Bartóks vertraut zu machen, schien sich noch mehr zu erfüllen. So fand der Wettbewerb 2017 und 2019 mit jeweils 100 Anmeldungen in Graz statt. 
 Die Bartók-Musikgesellschaft besteht mit kleinen Änderungen noch immer aus denselben Gründungs-Mitgliedern wie damals. 
Ziel des Wettbewerbs ist es, Schüler möglichst früh mit der Literatur Bartóks vertraut zu machen und gleichzeitig die Komponisten der Wiener Klassik – Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert – miteinzubeziehen. Deren Werke stellen eine wunderbare Möglichkeit für Interpreten dar, ihr Talent technisch und musikalisch unter Beweis zu stellen und an dieser Erfahrung zu wachsen. Kurz gesagt, kann man sagen, dass der Wettbewerb eine Brücke zwischen Westen und Osten schlägt. 
Bartók hat mit seinen künstlerischen Impulsen eine Zeit geprägt, die ohnehin auf der Suche nach Neuerungen war. Er avancierte sozusagen zum Klassiker der Moderne, dessen Schaffen bis heute bedeutend ist. Die Aufhebung der Aufführungsrechte hat dazu beigetragen, dass seine Musik öfter gespielt werden kann.

Das Wettbewerbsprogramm - bestehend aus seinen Stücken und jenen der Wiener Klassik - bietet jungen Künstlern eine enorme Vielfalt an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten. Die Schwierigkeit dieser Stücke verlangt von den Interpreten ein Klavierspiel auf höchstem Niveau ab.
Die Abhaltung eines jährlichen Meisterkurses der Wiener Klassik entstand durch Anregungen der Jury und fand bisher zwei Mal im Mozarthaus in Wien statt. Nächstes Jahr wird dieser bisher sehr gut angenommene Meisterkurs in Graz abgehalten werden. 

 Damit bietet sich allen interessierten WettbewerbsteilnehmerInnen die Möglichkeit eines umfangreichen und qualitätsträchtigen Einblicks in klassische Klavierinterpretationen. Die Grazer Musiklandschaft setzt damit neue Schwerpunkte.“